Agri-PV als Etikettenschwindel?
Erste Anlagen stehen in den Startlöchern – hohe Hürden

In den Gemeinden Schnaitsee, Tittmoning, Tacherting, Pittenhart und Übersee sollen 2025 Agri-Photovoltaik-Anlagen, kurz Agri-PV, entstehen. Sie sind dann die ersten ihrer Art in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land und verknüpfen landwirtschaftliche Nutzung der Fläche mit Energiegewinnung. Zu zehn Anlagen hat das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein (AELF) bisher eine Stellungnahme abgegeben, die auch ablehnend sein kann.

Agri-Photovoltaikanlagen (Agri-PV) gewinnen im Dienstgebiet des AELF an Bedeutung. "Grundsätzlich wird bei Photovoltaikanlagen auf der Fläche zwischen zwei Systemen unterschieden: klassische Freiflächen-Photovoltaikanlagen und jetzt neu Agri-Photovoltaikanlagen", erläutert Matthias Anzinger, Sachgebietsleiter für Land- und Almwirtschaft am AELF.

  • Für eine Agri-PV darf die Grundfläche nach Vorgaben des Baugesetzbuches nicht größer als 25.000 Quadratmeter sein.
  • Zudem muss für diese besondere Solaranlage in allen Fällen auch die DIN SPEC 91434 eingehalten werden (siehe Infokasten), die als Leitfaden dient und sicherstellt, dass diese Technologie effizient und nachhaltig genutzt wird, während gleichzeitig weiterhin die landwirtschaftliche Produktion auf der Fläche möglich ist.
Pauschal betrachtet ist eine Extensivierung der landwirtschaftlichen Fläche mit Agri-PV nicht möglich. Die Einhaltung der Vorgaben der DIN SPEC 91434 ist auch erforderlich, um die entsprechende Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu bekommen.

Genehmigungsmöglichkeiten

Klassische Freiflächen-Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen können im Wesentlichen nur über die gemeindliche Bauleitplanung umgesetzt werden.
Die Ausnahmen im 200-Meter-Korridor an Autobahnen oder übergeordneten Schienenwegen sind im Baugesetzbuch geregelt. "Es kommt immer wieder vor, dass Freiflächen-PV als Agri-PV im Rahmen von gemeindlichen Bauleitplanungen ausgewiesen werden. Dies war bisher in allen Fällen Etikettenschwindel. Es reicht nicht, ein paar Schafe, Rinder oder Ziegen unter Photovoltaikmodulen laufen zu lassen, um diese dann als Agri-PV zu bezeichnen", so Anzinger.
Konzept erforderlich

Aus Sicht der Landwirtschaftsverwaltung muss für eine Agri-PV auch im Rahmen einer Bauleitplanung, weil sie zum Beispiel größer ist als die erwähnten 25 000 Quadratmeter, zum Nachweis einer dauerhaften, ernsthaften landwirtschaftlichen Nutzung ein entsprechendes Konzept erstellt und umgesetzt werden. "Alles andere führt nur zu Flächenverbrauch und wird der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Wir befürworten Agri-PV-Anlagen, die Landwirtschaft und Energiegewinnung kombinieren, aber ohne Etikettenschwindel – alles andere wird von uns ablehnend beurteilt.“

AELF berät

Für Beratungen steht das AELF Traunstein jederzeit zur Verfügung.

Unterschied zwischen Agri-PV- und Freiflächen-PV-Anlage

Freiflächen-Photovoltaikanlagen werden vom AELF sehr kritisch gesehen, da eine ernsthafte landwirtschaftliche Nutzung darunter nicht mehr möglich ist und bester Grund und Boden der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen wird.
Bei der Agri-PV ist jedoch die überwiegend landwirtschaftliche Nutzung entscheidend. Die Fläche bleibt landwirtschaftliche Fläche, auch nach landwirtschaftlichem Förderrecht. Unter dem Begriff Agri-PV werden nur die Anlagen betrachtet, die die dafür vorgesehene DIN SPEC 91434 einhalten.

DIN SPEC 91434
Unter Agri-Photovoltaik (Agri-PV) wird die kombinierte Nutzung ein und derselben Landfläche für landwirtschaftliche Produktion als Hauptnutzung und für Stromproduktion mittels einer PV-Anlage als Sekundärnutzung verstanden. Die Doppelnutzung der Fläche führt dabei nicht nur zu einer gesteigerten ökologischen und ökonomischen Landnutzungseffizienz, sondern kann in der Praxis darüber hinaus auch noch zu positiven Synergieeffekten zwischen der landwirtschaftlichen Produktion und der Agri-PV-Anlage führen. Abhängig von dem Design der Anlage kann die Konstruktion dabei bedeutende Schutzfunktionen einnehmen (z. B. Hagelschutz), sowie bei entsprechenden Vorrichtungen einen Beitrag zur Regenwassergewinnung leisten. Gerade in wärmeren Jahren und trockenen Regionen ist auch eine reduzierte Bodenwasserverdunstung in der Anlage durch die Beschattung zu erwarten. Diesem Aspekt wird in Zukunft, mit Hinblick auf den Klimawandel, noch größere Bedeutung beigemessen werden.